Joseph Ratzingers Irrlehre

„Sie haben einen neuen Christus eingeführt, unter dessen Deckmantel der Antichrist sich einschleichen konnte“

1.
Ein Kommentar von “Tomás”

Am 10. 11. 2014 um 18:49 schrieb “Tomás” an dem Blog von poschenker in seinem Kommentar folgende Sätze: »Prof. Siebel wirft Ratzinger vor, ein Arianer zu sein, weil er in seinem Werk “Einführung in das Christentum” (1968), das in Wirklichkeit “Einführung in die Apostasie” heißen sollte, behauptet, Christus sei ein außergewöhnlicher Mensch, aber nur ein Mensch gewesen, der von Gott im Augenblick des Todes am Kreuz als Sohn angenommen (“adoptiert”) wurde. Der Aufsatz des Prof. Siebel erschien in SAKA-Informationen 1990, Dezember, S.233-239; 1991, Januar, S. 9-12.«


2.
„Ist / war Joseph Ratzinger ein ARIANER?“

Der Betreiber des Blogs, Herr Schenker, reagierte am 15. November 2014 in einem Artikel unter der Titel: „Ist / war Joseph Ratzinger ein ARIANER?“
     Er schrieb: »Da es ungeheuerlich wäre, wenn dies so stimmte, ist es unser aller Pflicht, diese Behauptung gründlich zu verifizieren. Ich selber bin im Besitz aller Jahrgänge der SAKA-Informationen, auch jener vom Dezember 1990 und von Januar 1991. Ich veröffentliche deshalb hiernach den betreffenden Artikel von Prof. Dr. Wiegand Siebel aus dem Heft 15. Jahrgang Nr. 12, Dezember 1990 und Heft 16. Jahrgang Nr. 1, Januar 1991 (und verweise dazu auf die Online-Version des betreffenden Werkes Ratzingers “Einführung in das Christentum”)« – und veröffentlichte den Artikel von Professor Dr. Wigand Siebel:

Zur theologischen Position von Kardinal Ratzinger
Ist Ratzinger ein Arianer?

Von Professor Dr. Wigand Siebel

Den Artikel kann man hier lesen: https://poschenker.wordpress.com/category/saka-informationen-zeitschrift/


3.
Ein Prophet für unsere Zeit II.
(Quelle: Antimodernist – Januar 2016)

In der Januar 2016 Ausgabe von „Antimodernist“ erschien ein Artikel mit der Titel: Kardinal Pie von Poiters – Ein Prophet für unsere Zeit“, in dem der Autor unter der Überschrift „Die Christologie Joseph Ratzingers“ auf die oben erwähnten Arbeit von Prof. Siebel zu sprechen kommt. Es ist nicht die Aufgabe von Laien und von einfachen Priestern die Werke von Ratzinger zu kennen. Da der Autor in seiner früheren Artikel-Reihe über die konziliaren „Päpste“, bzw. in seinen Schriften über Ratzinger bisher nichts über die Christologie von Ratzinger erwähnte, ist es anzunehmen, dass auch er erst nach dem „Tomás“-Kommentar auf das Buch aufmerksam wurde. Indem er wichtige und heute besonders aktuelle Teile von verschiedenen Reden von Kardinal Pie und aus dem Buch von Ratzinger zitierte, schrieb der Autor folgende Zeilen:

Im Jahre 2005, also in dem Jahr, in welchem Joseph Ratzinger im postmodernen Rom die Führung übernahm, hat Prof. Dr. Wigand Siebel im SAKA-Verlag / Saarbrücken eine Textsammlung herausgegeben, mit der Titel: „Zur Philosophie und Theologie Joseph Ratzingers“. Unter der Überschrift „Ratzinger, ein Theologe ohne Glauben, Präfekt der Kongregation für den Glauben“, findet sich eine kurze Darstellung der Christologie Joseph Ratzingers in seinem Hauptwerk „Einführung in das Christentum – Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis“: „Eine Art Klassiker, der ständig neu aufgelegt wird und eine ganze Generation von Klerikern und Laien geformt hat, die von einer katholischen und gleichzeitig dem neuen Klima des II. Vatikanums gänzlich aufgeschlossenen Denkweise angezogen waren“ – so ist auf Seiten 15/16 dieses Werkes zu lesen.

Joseph Ratzinger galt und gilt innerhalb der modernistischen Theologen erstaunlicherweise als konservativ, und er wird nicht nur von den Halbkonservativen, sondern selbst von manchen Traditionalisten als Verteidiger des Glaubens gelobt. …

Wer ist Jesus Christus für Joseph Ratzinger? Dieser stellt sich in seinem Werk Einführung in das Christentum die Frage: „Dürften wir denn überhaupt Christologie (= Rede von Christus) in Theologie(= Rede von Gott) auflösen; müssen wir dann nicht viel eher Jesus leidenschaftlich als Menschen reklamieren, Christologie als Humanismus und als Anthropologie betreiben? Oder sollte der eigentliche Mensch gerade dadurch, daß er es ganz und eigentlich ist, Gott sein und Gott eben der eigentliche Mensch sein? Sollte es sein können, daß radikalster Humanismus und Glaube an den offenbarenden Gott hier aufeinander treffen, ja ineinander übergehen?“

Es sei hier auf ein typisch modernistisches Phänomen hingewiesen: Die Modernisten sehen überall dort „Probleme“, wo es für einen Katholiken gar keine geben dürfte und auch nicht gibt, weil die in Frage gestellte Lehre schon lange von der Kirche geklärt wurde. Diese „Probleme“ ergeben sich also letztlich nicht aus der Sache selbst, nämlich den katholischen Glauben, sondern aus dem persönlichen Unglauben der Modernisten. Sie wollen ganz einfach das, was die „alte“ Theologie (also die hl. Kirche und ihr Lehramt) sagt und gesagt hat, nicht mehr als unumstößliche Wahrheit akzeptieren.

Die Antwort Ratzingers auf diese seltsamen und für einen Katholiken befremdlich klingenden Fragen lautet nun, daß der in der Kirche in den ersten fünf Jahrhunderten entfachte Kampf über diese Frage „in den ökumenischen Konzilien von damals zur Bejahung (!) aller drei Fragen geführt hat“.
     Der ehemalige Präfekt der neurömischen Glaubenskongregation und inzwischen zurückgetretene Nachfolger Johannes Pauls II. ist also der Meinung, man müsse „Christologie als Humanismus und als Anthropologie betreiben, wodurch man einsehe, daß der eigentliche Mensch gerade dadurch, daß er es ganz und eigentlich ist, Gott sei und Gott eben der eigentliche Mensch sei“, weshalb „radikalster Humanismus und Glaube an den offenbarenden Gott hier aufeinander treffen, ja ineinander übergehen“. Wenn wir Joseph Ratzinger richtig verstanden haben, so meint er tatsächlich, weil Jesus Christus bereit war, radikal Mensch zu sein, ist er Gott und folglich ist Gott ein authentischer Mensch.

Lassen wir uns diese eigenwillige These des Neu-Theologen Ratzingers von ihm noch etwas genauer darlegen, um den ganzen Umfang seines Unglaubens besser überschauen zu können. Wir folgen nun dem Artikel:


4.
Joseph Ratzinger. „Einführung in das Christentum“
KÖSEL. ISBN 3-466-20455-0
(Quelle: https://de.scribd.com/doc/53689311/Einfuhrung-in-das-Christentum-Benedikt-XVI#download)

Es folgen die wichtigsten Seiten von 186 bis 200 aus der Internet-Ausgabe:

IV. WEGE DER CHRISTOLOGIE
1. und 2. Inkarnationstheologie und Kreuzestheologie

Von den bisher gewonnenen Einsichten aus öffnet sich auch der Zugang zu den noch verbleibenden Grundaussagen der Christologie. In der Geschichte des christlichen Glaubens haben sich bei der Betrachtung Jesu zwei Linien immer wieder auseinander entwickelt: die Theologie der Inkarnation, die vom griechischen Denken aufstieg und in der katholischen Tradition des Ostens und Westens herrschend wurde, und die Theologie des Kreuzes, die im Anschluss an Paulus und die frühesten Formen christlichen Glaubens im reformatorischen Denken entscheidend zum Durchbruch kam. Die Erstere redet vom Sein und kreist um die Tatsache, dass da ein Mensch Gott ist und dass damit zugleich Gott Mensch ist; dies Ungeheuerliche wird ihr das alles Entscheidende. Vor diesem Geschehnis des Einsseins von Mensch und Gott, der Menschwerdung Gottes, verblassen alle Einzelgeschehnisse, die noch folgten. Sie können demgegenüber nur noch sekundär sein; das Ineinandertreffen von Gott und Mensch erscheint als das wahrhaft Entscheidende, Erlösende, als die wirkliche Zukunft des Menschen, auf die schließlich alle Linien zugehen müssen.
     Die Theologie des Kreuzes dagegen will sich auf solche Ontologie nicht einlassen; sie spricht stattdessen vom Ereignis; sie folgt dem Zeugnis des Anfangs, der noch nicht nach dem Sein fragte, sondern nach dem Handeln Gottes in Kreuz und Auferstehung, das den Tod besiegte und Jesus als den Herrn und als die Hoffnung der Menschheit erwies. Vom jeweiligen Ansatz ergibt sich die unterschiedliche Tendenz: Inkarnationstheologie tendiert zu einher statischen und zu einer optimistischen Sicht. Die Sünde des Menschen erscheint leicht als ein Durchgangsstadium von ziemlich untergeordneter Bedeutung. Das Entscheidende ist dann nicht, dass der Mensch in der Sünde ist und geheilt werden muss, es geht weit über eine solche Reparation des Vergangenen hinaus und liegt im Zugehen auf den Ineinanderfall von Mensch und Gott.
     Die Kreuzestheologie führt demgegenüber eher zu einer dynamischaktualen, weltkritischen Auffassung des Christentums, das dieses gleichsam nur als den diskontinuierlich je neu auftretenden Bruch in der Selbstsicherheit und Selbstgewissheit des Menschen und seiner Institutionen, einschließlich der Kirche, versteht. Wer diese beiden großen geschichtlichen Formen des christlichen Selbstverständnisses einigermaßen vor Augen hat, wird gewiss nicht zu vereinfachenden Synthesen versucht sein. In den beiden grundlegenden Strukturformen von Inkarnations- und Kreuzestheologie sind Polaritäten aufgerissen, die man nicht in eine reinliche Synthese hinein übersteigen kann, ohne das Entscheidende von beiden zu verlieren; sie müssen als Polaritäten gegenwärtig bleiben, die sich selbst gegenseitig korrigieren und nur in ihrem Zueinander auf das Ganze verweisen. Dennoch dürfte durch unsere Überlegungen hindurch so etwas wie die letzte Einheit bei der Ansätze sichtbar werden, jene Einheit, die beides als Polarität ermöglicht und hindert, dass es als Widerspruch auseinanderfällt. Denn wir haben ja gefunden, dass das Sein Christi (Inkarnationstheologie!) actualitas ist, Überschritt von sich weg, der Exodus des Herausgehens aus sich; es ist nicht ein in sich ruhendes Sein, sondern der Akt des Gesandtseins, des Sohnseins, des Dienens. Umgekehrt: Dies Tun ist nicht bloß Tun, sondern Sein, es reicht in die tiefe des Seins hinab und fällt mit ihm zusammen. Dies Sein ist Exodus, Verwandlung. So aber muss an dieser Stelle eine sich recht verstehende Seins- und Inkarnationschristologie übergehen in die Kreuzestheologie, mit ihr eins werden; umgekehrt muss eine ihr ganzes Maß ausmessende Kreuzestheologie zur Sohneschristologie und zur Seinschristologie werden. Von dem so gewonnenen Ansatz her wird endlich auch das Ineinandergreifen einer weiteren Antithese deutlich, die die Geschichte aufgerichtet hat; sie ist übrigens mit der eben bedachten nahe verwandt.

Im Lauf der historischen Entwicklung des Christusglaubens ist zusehends auseinander gefallen, was man »Christologie« und »Soteriologie« zu nennen sich gewöhnte. Unter Ersterer verstand man die Lehre vom Sein Jesu, das man immer mehr als eine ontologische Ausnahme in sich abkapselte und so zum Spekulationsobjekt über etwas Sonderbares, Unverständliches, allein auf Jesus Begrenztes umwandelte. Unter Soteriologie wurde dann die Lehre von der Erlösung verstanden: Nachdem man das ontologische Kreuzworträtsel, wie Mensch und Gott in Jesus eins sein konnten, behandelt hatte, fragte man ganz getrennt davon, was Jesus eigentlich getan habe und wie die Wirkung seiner Tat uns zukomme. Dass die beiden Fragen auseinander fielen, dass man die Person und ihr Werk zum Inhalt getrennter Überlegungen und Traktate machte, hat dazu geführt, dass beides unverständlich und unvollziehbar wurde. Man braucht nur ein wenig in die Dogmatiklehrbücher hineinzuschauen, um festzustellen, wie kompliziert die Theorien für beides wurden, weil man vergessen hatte, dass man sie nur ineinander verstehen kann.
     Ich erinnere bloß an die Form, in der die Erlösungslehre meist im christlichen Bewusstsein steht. Sie gründet auf der so genannten Satisfaktionstheorie, die Anselm von Canterbury an der Schwelle des Mittelalters entwickelt hatte und die im Abendland immer ausschließlicher das Bewusstsein bestimmte. Schon in ihrer klassischen Gestalt enträt sie nicht der Einseitigkeit. Wenn man sie aber gar in der Vergröberung betrachtet, die sich das allgemeine Bewusstsein weithin geschaffen hat, erscheint sie als grausamer Mechanismus, der uns immer unvollziehbarer wird.
     Anselm von Canterbury (ca. 1033-1109) war es darum gegangen, das Werk Christi mit notwendigen Gründen (rationibus necessariis) abzuleiten und so unwiderleglich zu zeigen, dass dies Werk gerade so geschehen musste, wie es tatsächlich geschah. In großen Linien ließe sich sein Gedanke so wiedergeben: Durch die Sünde des Menschen, die sich gegen Gott richtete, wurde die Ordnung der Gerechtigkeit unendlich verletzt, Gott unendlich beleidigt. Dahinter steht die Vorstellung, dass sich das Ausmaß der Beleidigung nach dem Beleidigten richtet; es hat andere Folgen, wenn ich einen Bettler als wenn ich den Staatspräsidenten beleidige. Je nach dem Adressaten hat die Beleidigung ein anderes Gewicht. Da Gott der Unendliche ist, hat auch die Beleidigung, die ihm von der Menschheit in der Sünde zugefügt wurde, unendliches Gewicht. Das solchermaßen verletzte Recht muss wiederhergestellt werden, weil Gott ein Gott der Ordnung und der Gerechtigkeit, ja, die Gerechtigkeit selber ist. Entsprechend dem Maß der Beleidigung ist aber eine unendliche Wiedergutmachung nötig. Dazu ist der Mensch jedoch nicht imstande. Er kann unendlich beleidigen, dazu reicht sein Vermögen, aber er kann nicht unendliche Gutmachung erbringen: was er, der Endliche, gibt, wird immer nur endlich sein. Seine Kraft des Zerstörens reicht weiter als seine Fähigkeit, aufzubauen. So aber muss zwischen allen Wiedergutmachungen, die der Mensch versuchen wird, und der Größe seiner Schuld ein unendlicher Abstand bleiben, den er nie überbrücken kann: Jede Geste der Sühne kann ihm nur die Ohnmacht beweisen, den unendlichen Abgrund zu schließen, den er selbst aufgerissen hat. Soll also die Ordnung für immer zerstört, der Mensch ewig in den Abgrund seiner Schuld eingeschlossen bleiben? An dieser Stelle stößt Anselm auf die Gestalt Christi vor. Seine Antwort lautet: Gott selber bereinigt das Unrecht, aber nicht (wie er es könnte) in einer einfachen Amnestie, die das Geschehene doch nicht von innen her überwinden kann, sondern dadurch, dass der Unendliche selbst Mensch wird und dann als Mensch, der dem Geschlecht der Beleidiger zugehört und der dennoch die dem bloßen Menschen versagte Kraft unendlicher Wiedergutmachung besitzt, die erforderte Sühne leistet. So geschieht die Erlösung ganz aus Gnade und zugleich ganz als Herstellung des Rechts. Anselm glaubte damit die schwere Frage des »Cur Deus homo?«, die Frage nach dem Warum der Menschwerdung und des Kreuzes, zwingend beantwortet zu haben; seine Anschauung hat das zweite Jahrtausend der abendländischen Christenheit entscheidend geprägt; für sie galt, dass Christus am Kreuze sterben musste, um die unendliche Beleidigung gutzumachen, die geschehen war, und solchermaßen die verletzte Ordnung wiederherzustellen.

Nun soll man nicht leugnen, dass in dieser Theorie entscheidende biblische und menschliche Einsichten eingefangen sind; wer sie einigermaßen geduldig mitvollzieht, wird das unschwer sehen können. Insofern kann sie als ein Versuch [!], die Einzelelemente der biblischen Aussage in einem großen, durchgreifenden Systemzusammenhang zusammenzudenken, jederzeit Beachtung erheischen.
     Ist es schwer, zu sehen, dass trotz aller philosophischen und juristischen Denkmittel, die hier eingesetzt werden, jene Wahrheit leitend bleibt, welche die Bibel in dem kleinen Wörtchen »Für« ausdrückt, mit dem sie deutlich macht, dass wir als Menschen nicht nur unmittelbar von Gott, sondern voneinander und letztlich von dem Einen leben, der für alle gelebt hat? Und wer sähe nicht, dass so in der Schernatik der Satisfaktionstheorie der Atem des biblischen Erwählungsgedankens deutlich bleibt, für den Erwählung nicht eine Privilegierung des Erwählten ist, sondern die Berufung zum Sein für die anderen? Sie ist Berufung in jenes »Für«, in dem der Mensch getrost sich fallen lässt, aufhört, sich festzuhalten, und den Sprung von sich fort ins Unendliche wagt, durch den allein er zu sich selber kommen kann. Aber wenn man das alles zugibt, wird man auf der anderen Seite doch nicht leugnen können, dass das perfekt logisierte göttlichmenschliche Rechtssystem, das Anselm aufgerichtet hat, die Perspektiven verzerrt und mit seiner ehernen Logik das Gottesbild in ein unheimliches Licht tauchen kann. [!!!!!]
     Wir werden darauf noch ausführlich zurückkommen müssen, wenn über den Sinn des Kreuzes zu sprechen sein wird. Einstweilen mag der Hinweis genügen, dass sich die Dinge sogleich ganz anders darstellen, wenn statt der Zertrennung in Werk und Person Jesu sichtbar wird, dass es bei Jesus Christus nicht um ein von ihm selbst losgetrenntes Werk, nicht um eine Leistung geht, die Gott einfordern muss, weil er selbst auf die Ordnung verpflichtet ist; dass es bei ihm nicht – mit Gabriel Marcel zu sprechen – um das Haben der Menschheit geht, sondern um ihr Sein. Und wie anders sehen die Dinge des Weiteren aus, wenn man den paulinischen Schlüssel ergreift, der uns Christus verstehen lehrt als den » letzten Menschen« (1 Kor 15,45) – als den endgültigen Menschen, der den Menschen in seine Zukunft bringt, die darin besteht, dass er nicht bloß Mensch, sondern eins mit Gott ist. [!!!]

3. Christus, »der letzte Mensch«

Nunmehr sind wir an dem Punkt angelangt, an dem wir versuchen können, zusammenfassend zu sagen, was gemeint ist, wenn wir bekennen: »Ich glaube an Christus Jesus, Gottes eingeborenen Sohn, unsern Herrn«. Nach allem Bisherigen werden wir zunächst sagen dürfen: Christlicher Glaube glaubt Jesus von Nazareth als den exemplarischen Menschen – so kann man wohl am ehesten den vorhin erwähnten paulinischen Begriff des » letzten Adam« sachgemäß übertragen. Aber gerade als der exemplarische, als der maßgebende Mensch überschreitet er die Grenze des Menschseins; nur so und nur dadurch ist er der wahrhaft exemplarische Mensch. Denn der Mensch ist um so mehr bei sich, je mehr er beim andern ist. Er kommt nur dadurch zu sich, dass er von sich wegkommt. Er kommt nur durch den anderen und durch das Sein beim anderen zu sich selbst. Das gilt schließlich in einer letzten Tiefe. Wenn der andere bloß irgendjemand ist, kann er auch zur Selbstverlierung des Menschen werden. Der Mensch ist zuletzt auf den anderen, auf den wahrhaft anderen, auf Gott hin bestimmt; er ist um so mehr bei sich, je mehr er bei dem ganz anderen, bei Gott ist. Er ist demnach ganz er selbst, wenn er aufgehört hat, in sich zu stehen, sich in sich abzuschließen und zu behaupten, wenn er die reine Eröffnetheit auf Gott hin ist. Noch einmal anders gesagt: Der Mensch kommt zu sich, indem er über sich hinauskommt. Jesus Christus aber ist der ganz über sich hinausgekommene und so der wahrhaft zu sich gekommene Mensch. Der Rubikon der Menschwerdung wird zunächst Überschritten durch den Schritt vom Animal auf den Logos hin, vom bloßen Leben zum Geist. [!!!!!] Aus dem »Lehm« war in dem Augenblick der Mensch geworden, in dem ein Wesen nicht mehr bloß »da war«, sondern über das Da-Sein und die Erfüllung seiner Bedürftigkeit hinaus eröffnet war auf das Ganze. Aber dieser Schritt, durch den erstmals »Logos«, Verstehen, Geist eintrat in diese Welt, ist erst dann erfüllt, wenn der Logos selbst, der ganze schöpferische Sinn, und der Mensch ineinandertauchen.
     Die volle Menschwerdung des Menschen setzt die Menschwerdung Gottes voraus; erst in ihr ist der Rubikon vom »Animalischen« zum »Logischen« definitiv überschritten und jener Anfang zu seiner höchsten Möglichkeit geführt, der begann, als erstmals ein Wesen aus Staub und Erde über sich und seine Umwelt hinausblickend Du zu Gott zu sagen vermochte. Die Eröffnetheit auf das Ganze, aufs Unendliche hin macht den Menschen aus. Der Mensch ist dadurch Mensch, dass er unendlich hinausreicht über sich, und er ist folglich umso mehr Mensch, je weniger er in sich verschlossen, »beschränkt« ist. Dann ist aber – sagen wir es noch einmal – der am meisten Mensch, ja der wahre Mensch, der am meisten entschränkt ist, der das Unendliche – den Unendlichen! – nicht nur berührt, sondern eins mit ihm ist: Jesus Christus. In ihm ist der Schritt der Menschwerdung wahrhaft an sein Ziel gekommen. [!!!!]

Nun ist aber noch ein Zweites zu bedenken. Wir hatten bisher aus dem Gedanken des »exemplarischen Menschen« jene erste grundlegende Überschreitung des Eigenen zu verstehen versucht, die der Glaube für die Gestalt Jesu bestimmend weiß: diejenigen die in ihm Menschsein und Gottsein zur Einheit verbindet. Darin klang aber immer schon eine weitere Grenzaufhebung mit an. Wenn Jesus der exemplarische Mensch ist, in dem die wahre Gestalt des Menschen, die Idee Gottes mit ihm, vollends ans Licht tritt, dann kann er nicht dazu bestimmt sein, nur eine absolute Ausnahme zu sein, eine Kuriosität, in der Gott uns demonstriert, was alles Möglich ist. [!!!] Dann geht seine Existenz die ganze Menschheit an. Das Neue Testament macht das erkennbar, indem es ihn einen »Adam« nennt; dies Wort drückt in der Bibel die Einheit des ganzen Wesens Mensch aus, sodass man von der biblischen Idee einer »Korporativpersönlichkeit« spricht. Wenn nun Jesus »Adam« genannt wird, sagt dies, dass er bestimmt ist, das ganze Wesen »Adam« in sich zu versammeln. Das aber bedeutet: Jene Realität, die Paulus, heute weithin für uns unverständlich, »Leib Christi« nennt, ist eine innere Forderung dieser Existenz, die nicht Ausnahme bleiben darf, sondern die ganze Menschheit »an sich ziehen« muss (vgl. Jo 12,32). Es muss als ein bedeutendes Verdienst von Teilhard de Chardin [!!!!!] gewertet werden, dass er diese Zusammenhänge vom heutigen Weltbild her neu gedacht und trotz einer nicht ganz unbedenklichen Tendenz aufs Biologistische hin sie im Ganzen doch wohl richtig begriffen und auf jeden Fall neu zugänglich gemacht hat. Hören wir ihn selbst!
     Die menschliche Monade »kann nur ganz sie selbst werden, wenn sie aufhört, allein zu sein«a. Im Hintergrund ist dabei der Gedanke mitzuhören, dass es im Kosmos neben den beiden Ordnungen des unendlich Kleinen und des unendlich Großen eine dritte Ordnung gibt, die die eigentliche Drift der Evolution bestimmt: die Ordnung des unendlich Komplexen. Sie ist das eigentliche Ziel des aufsteigenden Werdeprozesses; sie erreicht einen ersten Höhepunkt in der Entstehung des Lebendigen, um dann immer weiter voranzuschreiten zu jenen hochkomplexen Gebilden, die dem Kosmos eine neue Mitte geben: »So winzig und zufällig der Platz auch ist, den die Planeten in der Geschichte der Sternkörper einnehmen, so bilden sie letzten Endes doch die Lebenspunkte des Universums. Durch sie läuft jetzt die Achse, auf sie konzentriert sich von nun an das Streben einer hauptsächlich auf die Erzeugung von großen Molekülen gerichteten Evolution«b. Die Betrachtung der Welt nach dem dynamischen Maßstab der Komplexität bedeutet so »eine völlige Umkehrung der Werte. Eine Wendung der Perspektive«. Aber kehren wir zum Menschen zurück. Er ist das bisherige Maximum an Komplexität. Aber auch er kann als bloße Mensch-Monade noch kein Ende darstellen; sein Werden selbst fordert eine weiter gehende Komplexionsbewegung: »Stellt der Mensch nicht gleichzeitig ein in Bezug auf sich zentriertes Individuum (d. h. eine >Person<) dar und in Bezug auf irgendeine neue und höhere Synthese ein Element«? Das will sagen: Der Mensch ist zwar einerseits schon ein Ende, das nicht mehr rückgängig gemacht, nicht mehr eingeschmolzen werden darf, und doch ist er im Nebeneinander der einzelnen Menschen noch nicht am Ziel, sondern erweist sich gleichsam als ein Element, das nach einer Ganzheit verlangt, die es umgreift, ohne es zu zerstören. Nehmen wir einen weiteren Text dazu, um zu sehen, in welche Richtung solche Gedanken führen: »Im Gegensatz zu den Annahmen, die in der Physik noch immer Geltung haben, findet sich das Beständige nicht zutiefst – im Infraelementaren –, sondern zuhöchst – im Ultrasynthetischen«. (zitiert nach C. Tresmantant, Einführung in das Denken Teilhard de Chardins, Freiburg 1961)
     So muss entdeckt werden, »dass nichts anderes den Dingen Halt und Zusammenhang gibt als ihre Verflechtung von oben her«.
     Ich glaube, dass man hier vor einer sehr zentralen Aussage steht; das dynamische Weltbild zerstört an dieser Stelle die uns allen so nahe liegende positivistische Vorstellung, die das Beständige allein in der »Masse«, im harten Stoff sieht. Dass die Welt schließlich doch »von oben« her konstruiert und gehalten ist, wird hier auf eine Weise sichtbar, die deswegen so eindrücklich ist, weil wir sie so wenig gewöhnt sind.
     Von da aus eröffnet sich der Zugang zu einem weiteren Text, um hier wenigstens durch das Zusammenlegen von ein paar Fragmenten die Gesamtsicht Teilhards anzudeuten. »Die universale Energie muss eine denkende Energie sein, soll sie nicht in der Entwicklung weniger weit sein als die Ziele, die von ihrer Wirkung beseelt werden. Und folglich ... heben die kosmischen Wertattribute, mit denen sie sich in unseren modernen Augen umgibt, keineswegs die Notwendigkeit auf, dass wir ihr eine transzendente Form von Persönlichkeit zuerkennen«. Von da aus kann nun auch der Zielpunkt der ganzen Bewegung verstanden werden, wie Teilhard ihn sieht: Die kosmische Drift bewegt sich »in Richtung auf einen unglaublichen, quasi >monomolekularen< Zustand ..., wo jedes Ego ... dazu bestimmt ist, seinen Höhepunkt in irgendeinem geheimnisvollen Super-Ego zu erreichen«. Der Mensch ist als ein Ich zwar ein Ende, aber die Richtung der Seinsbewegung und seiner eigenen Existenz erweist ihn zugleich als ein Gebilde, das in ein »Über-Ich« hineingehört, welches ihn nicht auslöscht, aber umgreift; erst in solcher Vereinigung kann die Form des zukünftigen Menschen erscheinen, in der das Menschsein ganz am Ziel seiner selbst sein wird.
     Man wird wohl sagen dürfen, dass hier von der heutigen Weltsicht her und gewiss in einem manchmal gar zu biologistischen Vokabular in der Sache doch die Richtung der paulinischen Christologie erfasst ist und neu verstehbar wird: Der Glaube sieht in Jesus den Menschen, in dem – vom biologischen Schema her gesprochen – gleichsam der nächste Evolutionssprung getan ist; den Menschen, in dem der Durchbruch aus der beschränkten Art unseres Menschseins, aus seiner monadischen Verschließung, geschehen ist; jenen Menschen, in dem Personalisation und Sozialisation sich nicht mehr ausschließen, sondern bestätigen; jenen Menschen, in dem höchste Einheit – »Leib Christi«, sagt Paulus, ja noch schärfer: »Ihr seid ein Einziger in Christus« (Gal 3,28) – und höchste Individualität eins sind; jenen Menschen, in dem die Menschheit ihre Zukunft berührt und in höchstem Maße sie selbst wird, weil sie durch ihn Gott selber berührt, an ihm teilnimmt und so in ihre eigentlichste Möglichkeit gelangt. Von da aus wird der Glaube in Christus den Beginn einer Bewegung sehen, in der die zerteilte Menschheit immer mehr eingeholt wird in das Sein eines einzigen Adam, eines einzigen »Leibes« – des kommenden Menschen. Er wird in ihm die Bewegung sehen auf jene Zukunft des Menschen hin, in der er gänzlich »sozialisiert«, einverleibt in einen Einzigen ist, aber so, dass darin der Einzelne nicht ausgelöscht, sondern ganz zu sich gebracht wird. Es wäre nicht schwer zu zeigen, dass die johanneische Theologie in die gleiche Richtung weist. Erinnern wir uns nur an das vorhin schon kurz berührte Wort: »Wenn ich von der Erde erhöht sein werde, werde ich alle an mich ziehen« (Jo 12, 32). Dieser Satz will den Sinn des Kreuzestodes Jesu auslegen; er drückt so, da das Kreuz die Mitte der johanneischen Theologie bildet, die Richtung aus, in die das ganze Evangelium weisen will. Der Vorgang der Kreuzigung erscheint darin als ein Vorgang der Öffnung, in der die verstreuten Mensch-Monaden in die Umarmung Jesu Christi, in den weiten Raum seiner ausgespannten Hände einbezogen werden, um in solcher Vereinigung an ihrem Ziel, am Ziel der Menschheit, anzukommen. Wenn es aber so ist, dann ist Christus als der kommende Mensch nicht der Mensch für sich, sondern wesentlich der Mensch für die anderen; der Mensch der Zukunft ist er gerade als der ganz offene.
     Der Mensch für sich, der nur in sich stehen will, ist dann der Mensch der Vergangenheit, den wir hinter uns lassen müssen, um vorwärts zu schreiten. Das bedeutet anders ausgedrückt: Die Zukunft des Menschen liegt im »Sein-für«. Es bestätigt sich im Grunde hier noch einmal, was wir als den Sinn der Rede von der Sohnschaft und zuvor schon als den Sinn der Lehre von den drei Personen im einen Gott erkannt haben – der Verweis auf die dynamisch-aktuale Existenz, die wesentlich Offenheit in der Bewegung zwischen Von und Für ist. Und noch einmal zeigt sich, dass Christus der ganz offene Mensch ist, bei dem die Wände der Existenz abgerissen sind, der ganz »Übergang« (»Pascha«) ist. Damit stehen wir unvermittelt wieder beim Kreuzes- und Ostergeheimnis, das ja von der Bibel als ein Geheimnis des Übergangs begriffen wird.

Johannes, der diese Gedanken vor allem reflektiert hat, schließt seine Darstellung des irdischen Jesus mit dem Bild der Existenz, deren Wände aufgerissen sind, die keine festen Grenzen mehr kennt, sondern wesentlich Offensein ist. »Einer von den Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus« (Jo 19,34). Im Bild der durchbohrten Seite gipfelt für Johannes nicht nur die Kreuzesszene, sondern die ganze Geschichte Jesu. Nun, nach dem Lanzenstich, der sein irdisches Leben beendet, ist seine Existenz ganz offen; nun ist er gänzlich »Für«, nun ist er wahrhaft nicht mehr ein Einzelner, sondern »Adam«, aus dessen Seite Eva, eine neue Menschheit, gebildet wird. Jene tiefe Darstellung des Alten Testaments, wonach die Frau aus der Seite des Mannes genommen ist (Gn 2,21 ff), womit ihrer beider immerwährende Verwiesenheit aufeinander und ihre Einheit im einen Menschsein unnachahmlich groß ausgesagt wird – jene Geschichte also scheint hier in der Wiederaufnahme des Wortes »Seite« (zu Unrecht meist mit »Rippe« übersetzt) anzuklingen.
     Die offene Seite des neuen Adam wiederholt das Schöpfungsgeheimnis der »offenen Seite« des Mannes: Sie ist der Anfang einer neuen, definitiven Gemeinschaft der Menschen miteinander; als ihre Symbole stehen hier Blut und Wasser, womit Johannes auf die christlichen Grundsakramente Taufe und Eucharistie und durch sie hindurch auf die Kirche als das Zeichen der neuen Gemeinschaft der Menschen verweist. Der ganz Eröffnete, der das Sein ganz als Empfangen und Weitergeben vollzieht, ist damit sichtbar als das, was er im Tiefsten immer war: als »Sohn«.
     So ist Jesus am Kreuz wahrhaft in seine Stunde eingetreten, wie wiederum Johannes sagt. Diese rätselhafte Redeweise dürfte von hier aus einigermaßen verständlich werden. Dies Ganze aber zeigt auch, welcher Anspruch über dem Reden vom kommenden Menschen liegt – wie wenig das in Wahrheit mit fröhlicher Fortschrittsromantik zu tun hat. Denn der Mensch für die andern, der offene und damit einen neuen Anfang eröffnende Mensch zu sein, das heißt: der Mensch im Opfer, der geopferte Mensch sein. Die Zukunft des Menschen hängt am Kreuz – die Erlösung des Menschen ist das Kreuz. Und nicht anders kommt er zu sich selbst, als indem er die Wände seiner Existenz abbrechen lässt, zum Durchbohrten blickt (Jo 19,37), dem nachfolgt, der als der Durchbohrte, Geöffnete, den Weg in die Zukunft eröffnet hat.
     Das bedeutet dann endlich, dass das Christentum, das als Glaube an die Schöpfung den Primat des Logos, den schöpferischen Sinn als Anfang und Ursprung glaubt, ihn doch in einer spezifischen Weise als das Ende, als die Zukunft, als den Kommenden glaubt. In diesem Zublick auf den Kommenden hin liegt sogar die eigentliche Geschichtsdynamik des Christlichen, das im Alten und Neuen Testament Glauben als Hoffnung auf die Verheißung vollzieht. Christlicher Glaube ist nicht bloß Rückblick auf das Geschehene, Verankerung in einem zeitlich hinter uns liegenden Ursprung; das zu denken würde letztlich auf Romantik und bloße Restauration hinauslaufen.
     Er ist auch nicht bloß Ausblick auf das Ewige; das wäre Platonismus und Metaphysik. Er ist vor allen Dingen auch Blick nach vorn, Ausgriff der Hoffnung. Gewiss nicht nur das: Die Hoffnung würde zur Utopie, wo ihr Ziel nur des Menschen eigenes Produkt wäre. Sie ist wahre Hoffnung eben dadurch, dass sie im Koordinatensystem aller drei Größen steht: der Vergangenheit, das heißt des schon geschehenen Durchbruchs – der Gegenwart des Ewigen, die die zertrennte Zeit als Einheit sein lässt – des Kommenden, in dem Gott und Welt einander berühren werden und so wahrhaft Gott in Welt, Welt in Gott als das Omega der Geschichte sein wird. Vom christlichen Glauben her wird man sagen dürfen: Für die Geschichte steht Gott am Ende, der für das Sein am Anfang steht. Darin deutet sich der umfassende Horizont des Christlichen an, durch den es sowohl von der bloßen Metaphysik wie von der Zukunftsideologie des Marxismus abgehoben ist. Seit Abraham und bis zur Wiederkunft des Herrn geht der Glaube dem Kommenden entgegen. Aber in Christus ist ihm das Antlitz des Kommenden jetzt schon kundgeworden:
     Es wird der Mensch sein, der die Menschheit umgreifen kann, weil er sich und sie an Gott verloren hat. – Deshalb muss das Zeichen des Kommenden das Kreuz und sein Gesicht in dieser Weltenzeit das Antlitz voller Blut und Wunden sein: Der »letzte Mensch«, das heißt der eigentliche, der zukünftige Mensch, offenbart sich in dieser Zeit in den letzten Menschen; wer auf seiner Seite stehen will, muss daher auf ihrer Seite stehen (vgl. Mt 25,31- 46).


5.

Als Antwort auf Ratzingers Irrlehren folgen zunächst die Erklärungen dazu von dem Autor der Antimodernist-Zeitung, dann die von ihm zitierten Worte von Kardinal Pie, schließlich ein Auszug aus einem Buch mit der Titel, „Das Baum des Lebens“:


5/1.
Christologie Joseph Ratzingers
(Quelle: Antimodernist – Januar 2016)

Nach Joseph Ratzinger ist somit die Sohn-Gottes-Idee erst durch die christliche Urgemeinde, welche den Psalm 2 auf Jesus von Nazareth am Kreuz angewandte, um damit dessen radikales Sein für die anderen zu interpretieren, in das Glaubensbekenntnis der Kirche eingegangen. Mit anderen Worten: Die Apostel – und Jesus Christus selbst! – haben selbstverständlich niemals geglaubt, daß dieser Jesus von Nazareth der wahre Sohn Gottes ist. Vielmehr ist dieser Glaube erst später durch den lebendigen Glauben (= gefühlter, irrationaler Erlebnisglaube) der Urgemeinde allmählich gebildet worden, wie der Artikel fortfahrend verdeutlicht.
     Für Ratzinger ist Jesus also nicht Gott, weil er natürlicher Sohn Gottes ist, aus dem Vater geboren vor aller Zeit, „gezeugt, nicht geschaffen, wesensgleich mit dem Vater“, weil seine Person seit Ewigkeit die unendliche göttliche Natur und daher die unendliche Vollkommenheit besitzt, sondern ist jener Mensch, der gekommen ist, „um mit Gott ineinanderzufallen“ und der am Kreuze „das Sein für die anderen“ verkörpert hat, ein „Altruist durch Antonomasie“. Folglich unterscheidet er sich von uns und den anderen Menschen nur durch den Grad der menschlichen Entwicklung, die er erreicht hat, nicht durch den Abgrund, welchen Gott vom Menschen, den Schöpfer vom Geschöpf trennt. Die Christologie der Kirche weist Ratzinger zurück als eine „triumphalistische Verherrlichungschristologie“ ... die etwa mit dem gekreuzigten und dienenden Menschen nichts anfangen könnte und statt dessen sich wieder einen ontologischen Gottmythos erfinden würde“. Anstelle der „triumphalistischen Verherrlichungschristologie“, welche „einen ontologischen Gottmythos“ schafft, setzt Ratzinger eine „Dienstchristologie“, die er behauptet, beim hl. Johannes zu finden, und in der „Sohn“ einzig „das Sein-vom-andern-her“ bedeutet.
     Der Mensch Jesus, der durch seinen vollkommenen Dienst dazu gelangt ist, „mit Gott ineinanderzufallen“, offenbart dem Menschen, daß der Mensch ein Gott in fieri (im Werden) ist und deshalb zwischen Mensch und Gott eine wesensmäßige Identität besteht. Indem er auch Dante entstellt, meint Ratzinger: „Man fühlt sich erinnert an den bewegenden Schluß von Dantes Göttlicher Komödie, wo er im Hinschauen auf das Geheimnis Gottes, inmitten jener 'Liebesallgewalt, die still und einig im Kreis die Sonne führt und alle Sterne': mit seligem Erstaunen sein Ebenbild, ein Menschenangesicht entdeckt“.
     Wie wir sehen, beherrscht Ratzinger meisterlich alle modernistischen Kunstgriffe, um den „alten“ Glauben ins Lächerliche zu ziehen – hier die Schlagwortbildung: „triumphalistische Verherrlichungschristologie“ heißt es da und: „ontologischer Gottmythos“. Mit dem ersten Schlagwort ist nichts anderes gemeint, als daß Jesus Christus, weil er nicht ein Mensch ist wie wir, sondern der Gottmensch und als solcher eins mit dem Vater und allmächtig und ewig wie Er, am Kreuz der Sieger war – wie es in der Schluß-strophe der Ostersequenz so unnachahmlich schön heißt: „Nun wissen wir: Christ ist erstanden wahrhaft vom Tod. Du Sieger, Du König, sieh unsere Not. Amen. Alleluja.“ Jegliches Tun des „Menschen“ Jesus hat nur deswegen erlösenden Charakter, weil ER immer, der Person nach nämlich, der Sohn Gottes und somit unvermischt und ungetrennt mit der göttlichen Natur verbunden ist. Was nichts anderes ist als der katholische Glaube, ist also nach Joseph Ratzinger „triumphalistische Verherrlichungschristologie“, und unser Glaube an die wahre Gottheit Christi ist für ihn ein „ontologischer Gottmythos“, also das Halten eines Hirngespinstes für Wirklichkeit.

Wir befinden uns im vollkommenen Auf-den-Kopf-Stellen des katholischen Glaubens: Nicht Gott ist Mensch geworden, sondern der Mensch hat sich in Jesus Christus als Gott geoffenbart.


5/2.
Auszüge aus dem Buch: „Kardinal Pie von Poitiers, Nachfolger des hl. Hilarius“
vom Michael Fiedrowicz

(Quelle: Antimodernist – Januar 2016)

„Sie sehen, meine Herren, es gibt dort eine vollständige Zerstörung des ganzen Christentums. Weder die Offenbarung noch die Wunder und Prophetien, noch die Inkarnation, noch die Akte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, noch die Sakramente und insbesondere die Eucharistie, noch die Gebote und Rate des Evangeliums, noch die Beispiele der Heiligen können bestehenbleiben angesichts ähnlicher Behauptungen. Jede Beziehung zwischen Gott und den Menschen, die nicht einzig aus der Vermittlung der Vernunft und der Natur resultiert, wird prinzipiell und faktisch bestritten. Jesus Christus ist beseitigt.
     Allerdings, werden Sie mir sagen, findet sich der Name Jesu Christi, zumindest gleichbedeutend, in diesen philosophischen Werken. Man spricht dort vom 'Christentum', vom 'erhabenen und milden Gekreuzigten', und von 'der Torheit des Kreuzes'. Ja, das ist wahr, und ich will ihnen auch sagen, wie der heilige Hilarius eine der Phasen des alten Arianismus charakterisiert: 'Die Strategie des Augenblicks, sagt er, besteht darin, sich unter dem scheinbar wahren Schleier der evangeliumsgemäßen Rechtgläubigkeit zu verbergen, so daß Jesus Christus verkündet zu werden scheint, während er geleugnet wird [...] Sie haben einen neuen Christus eingeführt, unter dessen Deckmantel der Antichrist sich einschleichen konnte. Denn diesem Christus nach ihrer Vorstellung gestehen sie keine Göttlichkeit zu; es genügt, daß er ein Geschöpf ist, das ausgezeichneter ist als die übrigen. ... Auf diese Weise haben sie es geschafft, die Einfachen zu tauschen, die meinen, daß die Worte die Überzeugungen enthalten, die sie ausdrücken', und 'die Hinterlist dieser im Stil des Antichrist verfaßten Schriften' entdecken.“

„Ebenso ist es in dieser Stunde. Man bezeichnet die christliche Religion als die 'unvergleichlich vollkommenste und heiligste von allen' Religionen, aber man hütet sich davor, sie als die einzig wahre zu bezeichnen; man rühmt sich im Gegenteil, 'in Gemeinschaft mit all den großen Philosophien und mit den Religionen, die die Erde erfüllen' zu sein, als ob die christliche Religion, die sich als göttlich erklärt, nicht allein deswegen für falsch gehalten wurde, weil andere Religionen, selbst zu einem geringeren Grade, die Vollkommenheit und die Heiligkeit in Anspruch nehmen können.“

„Meine Herren, welche Bedeutung haben nach solchen Blasphemien 'die aufrichtigen und innigen Anerkennungen, die die neue Philosophie dem Christentum überschwänglich erweist'? Welche Bedeutung hat es, daß der Philosoph 'seine Fortschritte in der Philosophie nach denen der zärtlichen Verehrung bemessen soll, die er für die Religion des Evangeliums empfinden wird'? Ist es nicht tausendfach offensichtlich, daß wir es mit Naturalisten zu tun haben, 'die Jesus Christus als einen Menschen voller Weisheit betrachten können, oder selbst als eine göttliche Persönlichkeit, die aber nicht bekennen, daß er ein Gott ist', und gegen die unser Konzil seine scharfe Verurteilung ausgesprochen hat?“

„Was reden sie von Annäherung und Verständigung, wenn wir auf immer durch einen Abgrund getrennt sind? Gefälliger Prophet, wie wagen Sie zu sagen, daß 'trotz einiger gegensätzlicher äußerer Erscheinungen' die Verwirklichung des Friedens unmittelbar bevorsteht? Äußerliche Erscheinungen, großer Gott! Als ob der Streitpunkt zwischen Ihnen und uns, zwischen der Kirche und den Hohepriester der Vernunft nicht gerade die Frage der Göttlichkeit Jesu Christi und seiner Lehre wäre! Ich werde es kühn mit dem heiligen Hilarius sagen: 'Der Grund, der uns heute zum Reden zwingt, ist kein geringerer als die Sache Jesu Christi'. Wir glauben, daß außerhalb aller Gesetze, die die Menschheit lenken, außerhalb aller natürlichen Vollkommenheiten, derer sie fähig ist, durch den spontanen Antrieb seiner Liebe, seiner unermeßlichen und unbegrenzten Liebe, durch ein Wunder, das wesensgemäß der übernatürlichen Ordnung angehört, das Wort Gottes, Gott von Gott, Licht vom Licht, gleichen Wesens mit dem Vater, von den Himmeln herabgestiegen ist, daß es Fleisch angenommen hat, von einer Jungfrau geboren wurde, Mensch geworden ist und alle seine Menschenbrüder in den Stand angenommener Kinder Gottes und zu Erben des himmlischen Reiches erhoben hat. Wir glauben das theologische Dogma 'des Kommens des Wortes im Fleisch; aus diesem Grund sind wir gewiß, den Geist Gottes zu besitzen, Kinder Gottes Zu sein'. 'Jeder Geist, der bekennt, Jesus Christus ist im Fleisch gekommen, ist aus Gott', sagt der heilige Johannes (1 Joh 4,2).

„Unser Herr Jesus Christus hat gesagt: 'Seid wachsam, damit niemand euch verführe. Denn es werden viele in meinem Namen kommen und sagen: Ich bin der Christus und sie werden eine große Zahl von Seelen verführen. ... Und es werden viele falsche Christusse und falsche Propheten auftreten und werden erstaunliche Zeichen und Wunder vollbringen, um womöglich auch die Auserwählten irrezuführen. Ich sage euch diese Dinge voraus, damit ihr gewarnt seid.
     ' Eure Hirten haben, meine geliebten Brüder, den Auftrag empfangen, Euch häufig diese Warnung des Erlösers zu wiederholen, insbesondere aber in dieser Epoche der Verwirrung und der Krise, wo es scheint, daß die höllischen Legionen eine große Macht erlangt haben, zu tauschen und zu schaden. Von dieser Art waren die Zeiten des heiligen Hilarius. Daher ist es seine Stimme und seine Lehre, die wir Euch in dieser kurzen Pastoralinstruktion zu Gehör bringen werden.
     Wenn dieser heilige Lehrer Euren Vätern das Evangelium auslegte, war er häufig bestrebt, ihnen die Beschreibung des Antichrist zu geben; und nicht nur dieses individuellen und persönlichen Antichrist, der eine so schreckenerregende Rolle in den letzten Tagen der Welt spielen wird, sondern auch der zahlreichen und beinahe unzahlbaren Antichristen, die im ganzen Verlauf der Jahrhunderte das Kommen des letzten Antichrist vorbereiten und seine Aufgabe erleichtern.
     Meine Kinder, indem er sich die Worte des heiligen Johannes zu eigen machte, Filioli, da ihr vielleicht sagen hörtet, daß der Antichrist kommt und die letzte Stunde sich nähert, die niemand kennt, sage ich euch etwas, das gewiß ist, 'daß es schon viele Antichristen gibt'. Daß der Antichrist, der ein Einzelner und ein Individuum am Ende der Zeiten sein wird, zuvor zahlreich und vielgestaltig sein wird, ist eine Tatsache, die das Zeugnis der Schrift unbestreitbar macht. Wer leugnet, daß Christus so ist, wie er von den Aposteln verkündet wurde, der ist ein Antichrist; dies bedeutet, im Gegensatz zu Jesus Christus zu stehen.
     Wenn nun geschrieben steht, daß die Zeiten des Antichrist gefährlich sein werden, daß der gute Glaube vieler überrascht werden wird, dann bedarf es nicht geringerer Vorsicht gegenüber seinen Vorgängern und Vorläufern. 'Ich habe euch nur eine Mahnung zu geben: Hütet euch vor dem Antichrist, fürchtet euch vor dem Antichrist'. Und wenn Ihr mich fragt, wer heute der Antichrist ist, vor dem Ihr Euch so sehr in acht nehmen müßt, dann wäre es für mich tatsächlich einfacher zu sagen, wo er nicht ist. Antichrist ist derjenige, der leugnet, daß Jesus Gott ist; Antichrist ist derjenige, der leugnet, daß Jesus Mensch ist; Antichrist ist derjenige, der leugnet, daß Jesus gleichzeitig Gott und Mensch ist. [...]

Bleibt also fest im alten und unveränderlichen Glauben der heiligen Kirche, meine geliebten Brüder, 'seid Männer, seid keine Kinder, die hin und her schwanken und sich von jedem Wind der Meinungen umhertreiben lassen, verführt durch den Trug der Menschen und die hinterlistigen Machenschaften des Irrtums, der sie umschleicht. ' Der göttliche Erlöser hat gesagt, indem er die Zeit des Unterganges Jerusalems vorhersagte: 'Wehe all denen, die dann in Geburtschmerzen sind oder in der Zeit des Stillens. 'Der heilige Hilarius erklärt dies folgendermaßen: 'In den stürmischen und schwierigen Zeiten der Kirche, wehe den Seelen, die von Zweifel gequält sind und bei denen der Glaube, die Frömmigkeit noch im Stadium der Empfängnis oder der ersten Ernährung sind. Die einen, überrascht in der Verlegenheit ihrer Unsicherheit und aufgehalten durch die Unschlüssigkeit ihm gequälten Geistes, werden zu schwerfällig sein, um den Verfolgungen des Antichrist zu entkommen; die anderen, die erst ein wenig von den Geheimnissen des Glaubens verkostet haben und erst eine geringe Menge der göttlichen Erkenntnis aufgenommen haben, werden der nötigen Stärke und Gewandtheit ermangeln, um so häftigen Angriffen standzuhalten.' Es ist diese Schwerfälligkeit und diese Schwächung der Seelen, die die letzten Zeiten so verderblich machen und so zahlreiche Glaubensabfälle verursachen werden.“

„Ach, sagen wir lieber, mit unserem heiligen Lehrer, daß das Dogma der christlichen Dreifaltigkeit, obwohl es unserem Geist ein Geheimnis auferlegt, das keine menschliche Erforschung hier auf Erden zur Evidenz führen wird, ihm dennoch ein unvergleichliches Licht und einen fast notwendigen Trost spendet. Wir sind nicht länger, wie bestimmte Denker des Heidentums, genötigt, uns auf den religiösen Pyrrhonismus zurückzuziehen, aufgrund der bedauernswerten Alternative, entweder die Vielzahl von Göttern anzunehmen, folglich die Vielzahl von Unendlichen, was absurd ist, oder an einen gleichgültigen und eingeschlafenen Gott zu glauben, an einen Gott, der erdrückt wird vom Gewicht einer unendlichen Natur, die ewig ohnmächtig ist, etwas anderes als das Endliche hervorzubringen. Unser Glaubensbekenntnis lehrt uns einen einzigen Gott, aber nicht einen einsamen Gott; einen Gott, in dessen Innersten sich zwei Begriffe begegnen, ohne sich auszuschließen, die unser ratloser Instinkt in der Gottheit suchte, ohne sie vereinen zu können: die Einheit und die Fruchtbarkeit, die Fruchtbarkeit in der Einheit. Es ist hier nicht der Ort, meine Herren und geschätzten Mitarbeiter, die metaphysischen Angemessenheiten und die moralischen Harmonien des offenbarten Mysteriums zu erforschen. Es gibt keinen einzigen unter Ihnen, der nicht wüßte, wie zahlreich und wunderbar sie sind. Ich wollte einerseits genug darüber sagen, um die dreiste Anklage zunichte zu machen, die gegen den Gott der Schriften erhoben wurde, andererseits Sie selber an die Gelegenheit und Notwendigkeit erinnern, den Glauben des Volkes bezüglich dieses grundlegenden Punktes zu starken.“

„Denn schließlich ist der Glaube an den einzigen Gott in drei Personen die Grundlage der ganzen christlichen Religion. Die Kenntnis dieser ersten Wahrheit ist unerläßlich für das Heil. Die Rechtgläubigkeit ist nicht gegeben, wenn man beim Bekenntnis eines einzigen Gottes beabsichtigt, einen Gott allein zu bekennen; denn der Glaube an einen einsamen Gott schließt die Idee des Gottessohnes aus. Es ist kein geringerer Frevel, in Gott die Einzigkeit der Person zu behaupten, als die Einheit der Natur zu leugnen. In dieser Hinsicht genügt das, was vor dem Kommen Jesu Christi genügen konnte, nicht, seitdem er gekommen ist und gesprochen hat. Dort, wo Gott sich mit dem impliziten Glauben begnügte, verlangt er seither den expliziten Glauben; und, so erhaben das Dogma eines einzigen Gottes in drei Personen auch ist, jeder Getaufte, der zum Alter der Vernunft gelangt ist, muß diese Wahrheit kennen und bekennen. Es ist also unsere Pflicht, diesen elementaren und grundlegenden Artikel des christlichen Katechismus in klaren und verständlichen Begriffen häufig zu erklären.
     Und was uns selbst betrifft, meine Herren und geschätzten Mitarbeiter, obwohl das vollständige Verständnis dieses Mysteriums wie gesagt absolut oberhalb der Fassungskraft der geschaffenen Geister ist, können uns dennoch das Studium und die Betrachtung soweit führen, daß unsere Vernunft daran ihre Freude findet und wir darüber zu sprechen beginnen, wie unser unvergleichlicher Bischof in seinem sechsten Buch über die Dreifaltigkeit: 'Sie kommen zu spät, die gottlosen Lehrer dieses Jahrhunderts. Mein Leiden, wenn es eines ist, an dich, o Gott, Vater Sohn und Heiliger Geist zu glauben, ist ein unheilbares Leiden; mein Irrtum, wenn es einer ist, den Gott des Evangeliums zu bekennen, ist ein unüberwindlicher Irrtum. Meine Seele ist durchdrungen, mein Verstand ist durchtränkt von diesen erhabenen Lehren, und es gibt hierfür kein Heilmittel mehr. Vergib mir, allmächtiger Gott! Ich kann in meinem Glauben und für meinen Glauben sterben, ich kann ihn nicht ändern. Bevor von diesen modernen Verkündigern und all ihren Vorstellungen die Rede war, habe ich dir meinen Glauben geschenkt, und ich bin in dir durch die heilige Taufe wiedergeboren worden; wozu meine Taufe mich gemacht hat, das bin ich für dich allezeit. Ich habe diese Dinge so gelernt; ich habe sie so geglaubt; und mein Glaube und mein Verstand sind derart entschlossen, daran festzuhalten, daß ich weder anders glauben könnte noch wollte.
    ' Welch großartige Töne, meine Herren und geschätzten Mitarbeiter; und wie sehr wird die Seele gestärkt, wenn sie diese hört! Wie schön ist es vor allem, sie zu wiederholen und sich zu eigen zu machen! Was mich betrifft, du großer Lehrer, du wachsamer Kämpfer des Glaubens, ich bin der unbedeutendste deiner Erben, der unwürdigste deiner Nachfolger. Meine schwache Stimme müßte dort schweigen, wo der Donner der deinigen erscholl. Anstatt mich auf diesen Thron zu setzen, wo du gesessen bist, müßte ich nur den Staub der Stufen küssen, die du bestiegen hast. Dennoch sei es mir gestattet, es in Gegenwart meiner Brüder und meiner Söhne im Priestertum zu sagen, es zum Trost der Christen zu sagen, die glauben, und zur Verwunderung der Menschen, die vielleicht das Unglück hatten, nicht zu glauben: ja, Hilarius, ich begreife jedes deiner Worte, ich teile deine ganze Denkweise. Die großen christlichen Mysterien, verglichen mit all den Ergebnissen der menschlichen Philosophie, fügen sich so gut und harmonisch zu meiner Einsicht, daß sie, anstatt ihre Prüfung und Qual zu sein, zu ihrer Freude und zu ihrem Frohlocken geworden sind. Ich glaube, und wenn es ein Leiden ist zu glauben, dann ist mein Leiden unheilbar. Ich habe alle Tage meines Lebens damit zugebracht, diese erhabenen Wahrheiten des Glaubens zu studieren; so wie sie mir durch die Kirche dargeboten wurden, habe ich sie geglaubt; und ich glaube sie so fest, und mein Verstand und mein Glaube sind darin so verankert und verwurzelt, daß, selbst wenn ich wollte, ich nichts anderes glauben könnte. Fern sei mir jede schuldhafte Anmaßung. Ich weiß, mein Gott, daß der Glaube eine Gnade ist, die uns menschliche Verkehrtheit verlieren lassen kann. Ich werde es Ihnen dennoch sagen, mein Bruder, Ihnen, der Sie kein Christ sind: es wäre für mich seitdem viel unmöglicher, nicht an Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist zu glauben, als es Ihnen unmöglich erscheint, daran zu glauben. Je mehr ich studiere, je mehr ich bete, desto mehr werde ich glauben: je mehr Sie studieren, je mehr Sie beten, desto weniger ungläubig werden Sie sein.“

Kardinal Pie sagte in seiner Synodalansprache in der feierlichen Sitzung der 9. Diözesansynode am 25. August 1863, in welcher das Buch mit dem Titel: Vie de Jesu, von Ernest Renan, verurteilt wurde, folgendes:
     „Wo es um die Ehre Jesu Christi, unseres höchsten Gottes, um die Wahrheit des katholischen Glaubens und infolgedessen um das ewige Heil der Seelen geht, ist anscheinend das einzig genaue und angebrachte Maß dasjenige, welches das Evangelium 'das gute, gerüttelte und überfließende Maß' nennt (Lk 6,38). Ich glaubte, daß es meine Pflicht sei, die Sache Christi in die Hand zu nehmen und mit dem bischöflichen Schwert dieses stolze Haupt zu treffen, das sich gegen ihn erhoben hat, und dadurch diejenigen zu schützen, die durch ihre Schwäche noch mehr der Gefahr ausgesetzt sind, getäuscht zu werden, alle frommen Seelen zu trösten und auch die Frevler zu ermahnen, die sich unter uns finden können. Im übrigen will ich Euch offen und einfach sagen: auch wenn alle anderen bezüglich dieses üblen Buches geschwiegen hatten, dann halte ich mich, weit entfernt, darin einen Grund zu sehen, es ihnen gleichzutun, noch stärker verpflichtet gefühlt, das Wort zu ergreifen; obwohl ich der Geringste im Bischofsstand bin und völlig unwürdig eines solchen Erbes, habe ich doch schließlich den Sitz des heiligen Hilarius inne. Blickt man nur auf die Person, so ist es ein stark verkleinerter Arius, er hat Veränderungen aller Art erfahren; es ist ein Mann ganz aus dem Westen, deutsch dem Denken nach, französisch den Worten nach, und in jeder Hinsicht der Mentalität seiner Epoche angepaßt (einer Epoche, sagen wir es, die in so vieler Hinsicht herabgesunken ist). Aber was den Geist betrifft, der ihn umtreibt, und die Kräfte, über die er verfügt, so ist es ein stark vergrößerter Arius, der es immer schlimmer treibt (vgl. 2 Tim 3,13).“


5/3.
Auf der Suche nach dem Kreuz Christi
Auszug aus dem Nachwort vom H. G.
zum Louis de Wohl’s Roman: „Der Baum des Lebens“

Es muß hier der geschichtlichen und religiösen Bedeutung wegen unbedingt hingewiesen werden auf die innere Bedrohung der Kirche zur Zeit Konstantins I. durch den Arianismus.
     Merkwürdigerweise haben sowohl Evelyn Waugh als auch Louis de Wohl in ihren Helena-Romanen die schwerwiegenden Auseinandersetzungen mit dem Arianismus so gut wie ausgespart, obwohl diese an die Fundamente des Christentums rührten und mit der Lebensgeschichte Konstantins und mit der Auffindung des Kreuzes Christi durch Helena eng verflochten sind. Ging es doch beim Arianismus um nichts Geringeres als um die Leugnung der Gottheit Christi und damit um die Leugnung der Dreifaltigkeit Gottes und der Erlösung durch das Kreuz. Ernest Hello hat deshalb Konstantin den schweren Vorwurf gemacht, daß er die Sache des Christentums verraten habe, weil er dem Arianismus gegenüber eine zwiespältige Haltung eingenommen habe und den Arianern anstatt dem hl. Athanasius, dem Verteidiger des wahren Glaubens, Gehör geschenkt habe, indem er an seinen Hof nach Konstantinopel arianische Bischöfe wie Eusebius von Caesarea (um 270-340) und Eusebius von Nikomedía (gest. 342) berufen habe, von dem er sich kurz vor dem Tode habe taufen lassen.
     Waugh und de Wohl haben sich ohne Zweifel in der überragenden Gestalt und abenteuerlichen Lebensgeschichte des hl. Athanasius etwas entgehen lassen. Außerdem ergibt sich auch ein nicht ganz richtiges historisches Bild der Gestalt Konstantins und seiner Zeit ohne die Darstellung der tiefgreifenden Auseinandersetzungen mit dem Arianismus. Ganz abgesehen davon, daß die Persönlichkeit der hl. Helena und ihre Suche nach dem Kreuz Christi, dem Zeichen der Erlösung durch den menschgewordenen Gottessohn Jesus Christus, erst auf dem Hintergrund der theologischen Auseinandersetzungen mit dem Arianismus in ihrer eigentlichen Bedeutung sichtbar wird.

Arius (260-326), ein Priester in Alexandrien, versuchte seit etwa 315 in seinen Predigten und Schriften seinen Anhänger eine besondere Lehre über die Person Christi beizubringen. Nach seiner Meinung war Christus nicht Gottes wahrer Sohn, sondern nur ein Geschöpf des Vaters, von ihm nur als Sohn angenommen, dem göttlichen Vater also nicht wesensgleich und auch nicht ewig wie dieser. Diese Irrlehre zerstörte nicht nur die christliche Lehre vom Dreifaltigen Gott, sondern auch die von der Erlösung durch Jesus Christus am Kreuz. Denn wenn Jesus Christus nicht wahrer Gott war, war auch die Erlösung unmöglich, und damit hörte das Christentum auf, Erlösungsreligion zu sein. Gleichzeitig war auch die Menschwerdung Gottes in Christus geleugnet. Mit anderen Worten: der Arianismus zerstörte die Fundamente des Christentums schlechthin.

Als alle gütlichen Verhandlungen des Bischofs mit Arius nutzlos blieben und die Zahl seiner Anhänger weiter wuchs, verurteilte eine Synode von etwa hundert Bischöfen in Alexandrien 318 die Irrtümer des Arius und schloß ihn und seine Anhänger, darunter zwei Bischöfe und sechs Priester, aus der Sakramentsgemeinschaft aus. Arius floh zu Eusebius von Caesarea und zu Eusebius von Nicomedia. Bischof Alexander brachte die Entscheidung Papst Silvester I. (314-335) zur Kenntnis. Gegen den Arianismus trat neben Alexander bald sehr energisch der um 295 geborene und 319 zum Diakon geweihte Athanasius auf. Er verteidigte die Gottheit Jesu Christi.
     Kaiser Konstantin sah mit wachsender Sorge die drohende Glaubensspaltung als Gefahr für die Einheit seines Reiches und versuchte zu vermitteln. Nachdem aber auch seine Vermittlungsversuche keinen Erfolg hatten, beschloß er im Einvernehmen mit dem Papst, den Glaubensstreit durch eine Versammlung für die Gesamtkirche zuschlichten, und berief für 325 ein ökumenisches Konzil nach Nicaea ein. Die Mehrzahl von den 318 versammelten Bischöfen entschied, daß Jesus Christus wahrer Gott sei: »Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott; gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater, durch den alles geschaffen worden ist.« Mit dem nicaenischen Glaubensbekenntnis entschied das Konzil klar gegen Arius, der vom Kaiser gleichzeitig mit zwei Bischöfen verbannt wurde. Die Streitfrage war zwar damit gelöst, aber der Streit selber nicht damit beendet. Der Arianismus sollte noch drei Jahrhunderte weiterwirken. Er flammte zunächst erneut auf, als Arius 328 aus der Verbannung zurückkehrte. Da sich nach dem Tode von Bischof Alexander 328 der inzwischen zum Bischof von Alexandrien berufene Athanasius weigerte, Arius wieder in die Kirchengemeinschaft aufzunehmen, brachte man von arianischer Seite gegen ihn falsche politische Verdächtigungen beim Kaiser vor, denen der Kaiser Gehör gab. Athanasius wurde seines Amtes enthoben und 335 nach Trier verbannt. In Konstantinopel war man bereit, Arius wieder in die Kirchengemeinschaft aufzunehmen. Aber am Vorabend des von Konstantin festgesetzten Tages für die Wiederaufnahme starb Arius 336 plötzlich.

Athanasius trat auch in seiner Verbannung weiter als Vorkämpfer der Rechtgläubigkeit auf. Als Konstantin 337 starb, kehrte er nach Alexandrien zurück, mußte aber in den nächsten Jahren, unter den Nachfolgern Konstantins (Konstantius, Julian, Valentinian) wegen seiner unerschütterlichen Glaubenstreue noch viermal ins Exil gehen. Auf einer 344 in Antiochien abgehaltenen Synode behaupteten die Eusebianer weiterhin von Christus die Wesensähnlichkeit mit dem Vater und lehnten die Wesensgleichheit ab. Der Westen setzte sich auf den Synoden von Rom 341 und Sardica 343 mit Entschiedenheit für die Wesensgleichheit ein. Der Osten aber beharrte auf den Synoden von Phillipopolis 343 und Sirmium 351 weiter bei der Wesensähnlichkeit. Kaiser Konstantius (337-361) zwang sogar auf den Synoden von Arles 353 und Mailand 355 den Westen zur Verurteilung von Athanasius und zur Annahme einer Vermittlungsformel der Arianer. Später zerfielen die bisher vereinigten Gegner der Wesensgleichheit in drei Parteien. Als Kaiser Julian Apostata (361-363) alle Parteien »zu gegenseitiger Zerfleischung« zusammenrief, standen sich aber wieder die beiden Parteien unerbittlich gegenüber: Nicaener und Arianer. Allmählich aber siegten immer mehr die Anhänger der Wesensgleichheit durch ihre wissenschaftlichen Argumente und zahlreichen Schriften.
     Als Athanasius 337 nach Alexandrien zurückgekehrt war, wurde er 339 gewaltsam durch den arianischen Bischof Gregor vertrieben. Er begab sich nach Rom zu Papst Julius I. (337-352). 341 wurde er durch eine Synode von Rom rehabilitiert, ebenso auf der Synode von Sardica 343. Nach Gregors Tod (345) konnte Athanasius nach Alexandrien zurückkehren. Dagegen wurde er durch die Synoden von Arles 354 und Mailand (355) erneut verbannt. 357 besetzte Gregor von Kappadozien den Bischofsstuhl von Alexandrien. Er wurde aber schon 358 vom Volk wieder vertrieben. Athanasius konnte nach dem Tod von Konstantius (361) wieder auf seinen Bischofsstuhl zurückkehren, erfuhr aber durch Kaiser Julian eine weitere Ausweisung und mußte in die Wüste fliehen. Unter Julians Nachfolger Jovian (363-364) konnte er nach Alexandrien zurück, wurde kurze Zeit danach aber durch Kaiser Valentinian I. (364-375) wieder vertrieben und mußte sich in der Nähe von Alexandrien verborgen halten. Als der Kaiser ihn schließlich aus dem Exil zurückrief, konnte er sich endlich die letzten Jahre bis zu seinem Tode 373 unbehelligt der Betreuung und Reorganisierung seines Bistums widmen.

Athanasius, diese überragende Bischofsgestalt der Frühkirche, mußte 17 Jahre seines Lebens in der Verbannung zubringen. Aber er gab kein Jota preis von den Wahrheiten des Glaubens. Von seinen Gegner gehaßt und verfolgt, von den Rechtgläubigen als Säule des Glaubens und als Heiliger verehrt, hat Athanasius durch Wort, Schrift und Tat unter den wechselnden Schicksalen und in den schwierigsten Situationen unter völliger Hintansetzung seiner Person und unter dem vollen Einsatz seines Lebens mutig für die Gottheit Jesu Christi gekämpft, mit deren Ablehnung oder Anerkennung das Christentum steht oder fällt. Athanasius wurde so für seine Zeit und für alle Zeiten ein leuchtendes Vorbild der Glaubenstreue. In den zahlreichen dogmatischen und apologetischen Schriften, die uns von ihm erhalten sind, zeigt sich auch eine große spekulative Begabung. Er bahnte einer Christologie den Weg, die die Einheit von Gottheit und Menschheit in Christus betont. Seine Lebensbeschreibung des hl. Einsiedlers Antonius (gest. 357), seines verehrten Lehrers, war von großem Einfluß auf die Gestaltung des Mönchtums und auf die christliche Frömmigkeit.
     Bleibendes Dokument ist das Athanasianische Glaubensbekenntnis, das dritte der ökumenischen Glaubensbekenntnisse. Es enthält eine dogmatische Zusammenfassung der auf den ersten vier allgemeinen Konzilien festgelegten Lehren über die Dreieinigkeit Gottes und über seine Menschwerdung in Christus. Es wurde allgemein angenommen von der Westkirche, nicht von der Ostkirche. Angenommen wurde es auch von den Protestanten, und auch die Anglikanische Kirche macht in ihrer Liturgie davon Gebrauch.

Nach dem Tode von Athanasius (373) haben vor allem die drei großen kappadozischen Kirchenväter und Theologen Basilius der Große (330-379), der 370 zum Nachfolger des Arianers Eusebius von Caesarea ernannt wurde, dann sein jüngerer Bruder Gregor von Nyssa (331-394) und der Freund des Basilius, Gregor von Nazianz (330-390), der seit 380 Patriarch von Konstantinopel war, mit Entschlossenheit das Glaubensbekenntnis von Nicaea verteidigt. Das kam besonders zum Ausdruck unter Kaiser Theodosius dem Großen (379-395) durch ihr Auftreten auf dem Ökumenischen Konzil von Konstantinopel 381, das den Arianismus endgültig verwarf und in seinem Nicaeno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis die Wesensgleichheit des Sohnes mit dem Vater ein für allemal festlegte. Danach schwand der Arianismus sehr schnell im Römerreich. Noch lange dagegen hielt er sich bei den Germanen, besonders bei den Goten und Langobarden, die bis 662 daran festhielten.
     Durch die von Bischof Remigius von Reims 496 vollzogene Taufe des Merowingers Chlodewig (481-511), des Begründers des Frankenreiches, dem im Laufe der Zeit Gallien, die Alemannen, Westgoten, Thüringer, Burgunder, Bayern, die Provence, die Langobarden, Sachsen und eine dänische und spanische Mark eingegliedert wurden, vor allem unter Pippin dem Älteren, dem Stammvater der Karolinger (gest. 640), und bis zu Karl dem Großen (768-814) wurde schließlich durch das Vordringen und den Ausbau des Frankenreiches der endgültige Sieg des wahren Glaubens über die verhängnisvollen Irrtümer des Arianismus herbeigeführt.


2. Mai 2016


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